⚠ Bruch der hinteren Spurstangen

An dieser Stelle möchten wir ein wenig „Licht in’s Dunkel“ zu der mittlerweile allgegenwärtigen Problematik
„Bruch der hinteren Spurstangen beim Opel Speedster“ bringen.

Es geht hierbei um die hinteren Spurstangen aller Speedster 2.2 und Speedster Turbo, die einen konstruktiven Schwachpunkt darstellen und bereits in zahlreichen Fällen gebrochen sind – zahlreiche Unfälle bis hin zu Totalschäden waren die Folge.

Insgesamt gibt es 6 verschiedene Original-Spurstangenvarianten (nicht nur 3, wie verschiedentlich zu lesen war). Schwachpunkte haben sie ALLE, nur eben je nach Variante in unterschiedlicher Anzahl und Ausprägung.

1.: Welche Spurstangenversionen gibt es und woran erkennt man sie?

Variante 1:
Wurde verbaut bei: Speedster 2.2 der ersten Baureihen
Anbindung an’s Fahrzeug: Kugelkopf mit zylindrischem 10mm Bolzen mit M10x1,5 Regelgewinde an Radträger- und Hilfsrahmenseite.
Variante 1 hat einen extrem stark ausgeprägten Schwachpunkt / bruchgefährdete Stelle durch die „Stufe“ im Übergang des koppelstangenseitigen Gewindes in Richtung Kugelkopf.
Die Kugelköpfe haben fast keine Vorspannung in der Kugelpfanne und laufen daher sehr leicht (Spurstange lässt sich von Hand verdrehen).

Opel Speedster Spurstange Variante 1
Spurstange Variante 1
Opel Speedster Spurstange Variante 1 - Schwachstelle am Spurstangenkopf
Spurstange Variante 1 – Schwachstelle

Variante 2:
Löste für kurze Zeit die Variante 1 ab (ebenfalls ausschließlich bei den Speedster 2.2). Optisch ist sie kaum von Variante 1 zu unterscheiden. Einziger Unterschied: Die Bolzen der fahrzeugseitigen Anbindung haben nun ein M10x1,25 Feingewinde, ansonsten sind sie identisch. Was mit dieser Änderung bezweckt werden sollte ist unklar – eine Verstärkung / Verbesserung stellt sie jedenfalls nicht dar.

Variante 3:
Wurde verbaut bei: Späten Speedster 2.2 (bis Produktionsende) / frühen Speedster Turbo (bis VIN … N006995)
Anbindung an’s Fahrzeug: Kugelkopf mit zylindrischem 10mm Bolzen mit M10x1,25 Feingewinde an Radträger- und Hilfsrahmenseite.
Gegenüber Variante 1 und 2 kommen hier geänderte Kugelköpfe zum Einsatz. Der beschriebene Schwachpunkt („Stufe“ im Übergang des koppelstangenseitigen Gewindes in Richtung Kugelkopf) ist nach wie vor vorhanden, nur etwas weniger stark ausgeprägt.
Die Kugelköpfe haben nun eine höhere Vorspannung in der Kugelpfanne, weswegen sich die Spurstangen meist nicht mehr von Hand verdrehen lassen.

Opel Speedster Spurstange Variante 3
Spurstange Variante 3
Opel Speedster Spurstange Variante 3 - Schwachstelle am Spurstangenkopf
Spurstange Variante 3 – Schwachstelle

Variante 4:
Wurde verbaut bei: Späten Speedster Turbo (ab VIN …N006996 bis Produktionsende).
Hier kommt nun zur radträgerseitigen Anbindung ein 12mm Bolzen mit Konus zum Einsatz (diese Fahrzeuge haben daher auch entsprechend geänderte Radträger mit Konussitz). Die Hilfsrahmenseitige Anbindung und alle anderen Konstruktiven Merkmale (einschließlich der Schwachpunkte) sind identisch mit Variante 3.

Opel Speedster Spurstange Variante 4
Spurstange Variante 4
Opel Speedster Spurstange Variante 4 - Schwachstelle am Spurstangenkopf
Spurstange Variante 4 – Schwachstelle

Das sind nun alle Spurstangenvarianten, die jemals ab Werk verbaut waren.
Nach Produktionsende wurden die Spurstangen dann aber nochmals überarbeitet, und zwar in…

Variante 5:
Dient als Ersatz für Variante 1 – 3
Anbindung an’s Fahrzeug sind daher natürlich auch hier 10mm Bolzen mit M10x1,25 Feingewinde.
Hier kommen wiederum geänderte Kugelköpfe zum Einsatz, die nun einen gradlinigen Übergang (ohne die „Stufe“) des koppelstangenseitigen Gewindes in Richtung Kugelkopf haben.
Auch diese Kugelköpfe sind, wie schon bei Variante 3, mit erhöhter Vorspannung montiert.

Opel Speedster Spurstange Variante 5
Spurstange Variante 5
Opel Speedster Spurstange Variante 5 - Detailansicht Kugelkopf
Spurstange Variante 5 – Detail

Variante 6.:
Dient als Ersatz für Variante 4, und hat daher auch den Kugelkopf mit 12mm Bolzen und Konussitz an der Radträgerseite.
Ist ansonsten konstruktiv identisch mit Variante 5

2..: Wo bricht es?

Nun, DEN Punkt, an dem eine Spurstange bricht (und der ja möglicherweise durch eine der geschilderten Modifikationen ausgemerzt worden sein könnte) gibt es nicht – es gibt MEHRERE, und zwar

2a.: Bruch des koppelstangenseitigen Gewindebolzens an der „Stufe“ (der Schwachpunkt, den ich bei Variante 1 – 4 beschrieben habe). Das sind 4 potentielle Bruchstellen an jedem entsprechenden Fahrzeug (zwei pro Spurstange). Potentiell bruchgefährdet sind dabei alle ab Werk verbauten Spurstangenvarianten (Variante 1 – 4), die Varianten 1 und 2 dabei in noch etwas höherem Maße als Varienten 3 und 4.

2b.: Bruch des Bolzens der fahrzeugseitigen Anbindung – Hilfsrahmenseite
Das sind 2 potentielle Bruchstellen an jedem Fahrzeug (eine pro Spurstange). Potentiell bruchgefährdet sind hier ALLE genannten Spurstangenvarianten (Variante 1 – 6), die Varianten 3 – 6 dabei in höherem Maße als die Varianten 1 und 2

2c.: Bruch des Bolzens der fahrzeugseitigen Anbindung – Radträgerseite.
Das sind 2 potentielle Bruchstellen an jedem entsprechenden Fahrzeug (eine pro Spurstange).
Potentiell bruchgefährdet sind dabei die Varianten 1, 2, 3 und 5.

2d.: Ausbrechen der Kugel aus der Kugelpfanne
Das sind 4 potentielle Bruchstellen an jedem Fahrzeug (zwei pro Spurstange). Potentiell bruchgefährdet sind hier ALLE genannten Spurstangenvarianten (Variante 1 – 6). Entsprechende Erfahrungen liegen hier bislang aber nur bei den Varianten 1 – 4 vor.

So kann das dann z.B. aussehen:

Gebrochener Kugelkopf bei Spurstangen Variante 1
Bruch der Schwachstelle am Kugelkopf
Gebrochener Kugelkopf bei Spurstangen Variante 3
Bruch des Anbindungsbolzens
Gebrochener Kugelkopf bei Spurstangen Variante 3
Kugel aus der Kugelpfanne ausgebrochen.

3.: Warum bricht es?

Als Gründe für eine Spurstangenbruch wurde in der Vergangenheit häufig Fehlverhalten / Fehlbehandlung unterstellt. Vorschädigungen durch Unfälle oder hohe Materialbelastung im Rennstreckeneinsatz können solche Brüche natürlich begünstigen. In solchen Fällen „kann die Spurstange dann ja eigentlich nichts dafür“, was dem Fahrzeugbesitzer aber letztendlich auch nicht wirklich weiterhilft wenn er mit seinem Auto im Graben liegt.
In jedem Fall sind die Festigkeitsreserven des verwendeten Materials dermaßen gering, dass diese Faktoren das Bruchrisiko in hohem Maße ansteigen lassen.
Schwächung des Materials aufgrund von vehementem Rennstreckeneinsatz oder vormalige Unfallschäden kommen nur in einem verschwindend geringen Anteil aller mir bekannt gewordenen Spurstangenbrüchen als (Mit)ursache in Betracht.
Die in der Praxis tatsächlich häufiger vorkommenden Bruchszenarien sehen eher wie folgt aus:

3.1.: Die werksseitig montierten Spurstangenvarianten (Variante 1 – 4) brechen aufgrund von Materialermüdung ohne weitere äußere Einflüsse an der beschriebenen Schwachstelle am Gewindeübergang zur Koppelstange

3.2.: Die unter geringer Vorspannung montierten Kugelköpfe der Varianten 1 und 2 bekommen während der Betriebszeit erhöhtes Spiel. Die daraus resultierende erhöhte Stoßbelastung führt dann zur Brüchen aufgrund von Materialermüdung (Wechselbeigebelastung / Scherkräfte) eines der Bolzen der Fahrzeuganbindungsseite.

3.3.: Alle Kugelköpfe haben nur einen begrenzten Temperaturbereich, in dem Sie ordnungsgemäß funktionieren können. Speziell der linke hilfsrahmenseitige Kugelkopf ist durch sie bauliche Nähe zur Auspuff / Kat einer enormen Hitzeeinstrahlung ausgesetzt. Wird der Kugelkopf zu heiß, geht er schlicht und einfach fest. Jedes Ein- und Ausfedern bewirkt dann eine Biegebelastung am koppelstangenseitigen Bolzen und eine Torsionsbelastung am Bolzen für die hilfsrahmenseitige Fahrzeuganbindung. Der Bruch erfolgt dann quasi beliebig an einem der beiden genannten Punkte – je nachdem, welcher Bolzen nun zufällig zuerst aufgibt.
Betroffen sind davon grundsätzlich alle Spurstangenvarianten (1 – 6) – die unter höherer Vorspannung montierten Kugelköpfe der Varianten 3 – 6 in höherem Maße als die Varianten 1 und 2. In dem Punkt wurde im Rahmen der Modellpflege quasi „der Teufel mit Belzebub ausgetrieben“.

3.4.: Die Gründe für das Ausbrechen des Kugelkopfes aus der Kugelpfanne sind bislang noch nicht völlig klar. Vermutlich war auch in diesen Fällen ein vorhergehendes „Festgehen“ des betroffenen Kugelkopfes oder evtl. ein Fertigungsfehler die Ursache.

3.5.: Bruch des koppelstangenseitigen Gewindebolzens kurz vor dem Übergang in die Koppelstange (also NICHT an der in Punkt 3.1 beschriebenen Schwachstelle). Ein solcher Bruch ist mir bisher nur 1 Mal bekannt geworden. Betroffen war hier ein später Turbo mit Spurstangenvariante 4. Gebrochen ist hier der radträgerseitige Kugelkopf (der wegen seiner angeblichen „Verstärkung“ duch den 12mm Bolzen mit Konus lange Zeit irrtümlich als weniger bruchgefährdet angesehen wurde).Genaue Ursache ist noch unbekannt. Die Bruchstelle zeigte aber teilweise bereits Korrosionsspuren. Der Bolzen war daher mit Sicherheit bereits seit einiger Zeit angerissen, bevor er dann letztendlich brach.

4.: Wie kann ich den Zustand meiner Spurstange prüfen?

Das ist leider nicht mit hinreichender Sicherheit möglich. Wirklich überprüfbare Auffälligkeiten zeigen die Spurstangen leider immer erst ganz kurz vor dem Bruch. Abnormale Schwergängigkeit oder deutliche Quietschgeräusche beim Verdrehen der Spurstange, „Knackgeräusche“ beim Einfedern, auch geringes, fühlbares Drehspiel eines Hinterrades in angehobenem Zustand oder „nachziehbare“ Muttern (Folge von Dehnung des jeweiligen Bolzens) sind Punkte, die einen UMGEHENDEN Austausch der Spurstangen erfordern.
Auch ein beim vollen Beschleuningen etwas „weich“ und „indifferent“ schwänzelndes Heck kann ein Anzeichen für einen kurz bevorstehenden Spurstengenbruch sein.
Nur leider funktioniert der Umkehrschluss nicht
Auch wenn keins der og. Symptome zutrifft heißt das noch lange nicht, dass die Spurstangen in Ordnung sind.
Aus technischer Sicht sind die meisten Bruch-Szenarien als „Ermüdungsbruch“ einzustufen und sind deshaklb bis kurz vor dem Bruch selbst Duch eine Werkstatt nicht entdeckbar.
Der weitaus größte Teil der mir bekannten Schäden passierte ansatzlos und ohne Vorankündigung oder vormalige Auffälligkeiten.

Unter’m Strich:

Mir allein sind mittlerweile rund 30 Fälle bekannt, in denen die Spurstangen gebrochen sind oder aufgrund glücklicher Zufälle der bevorstehende Schaden kurz vor dem Bruch entdeckt und die Spurstangen gewechselt werden konnten. Und auch ich kenne natürlich mit Sicherheit bei weitem nicht alle Fälle von Spurstangenbrüchen – die Dunkelziffer ist hoch…!

Zur „Illustration“ ein paar mit bekannte Fälle:

  • Speedster 2.2 auf dem Weg in die Werkstatt. Fährt mit Schrittgeschwindigkeit über den Werkstatthof (Kopfsteinpflaster) plötzlich bricht das Heck aus -> Spurstange abgerissen. Kein weiterer Schaden entstanden -> unglaublich viel Glück gehabt
  • Speedster Turbo bei uns in der Werkstatt zum Fahrwerkseinbau. Bei Demontage des linken Hinterrades bemerke ich starkes seitliches Kippspiel des Rades. Hier hatte sich der Bolzen der Radträgerseitigen Anbindung gelängt, sodaß der Bolzen quasi „lose! im Radträger hing. Der Bolzen war bereits verformt und wäre mit Sicherheit wenige Kilometer später gebrochen. Das Fahrzeug zeigte gem. Aussage des Kunden vorher keinerlei Auffälligkeiten. Spurstangen waren Variante 3
  • Kunde ruft mich an weil er seit kurzem beim Beschleunigen ein etwas „schwammiges Heck“ bemerkt hat. Mein Tipp: Traggelenke, Querlenkerbuchsen und Spurstangen schleunigst prüfen. Fündig wird er dann nach der Demontage der Spurstangen: Eine Spurstange ist am Bolzen der radträgerseitigen Anbindung eingerissen. Kurze Zeit später fällt ihm dann die demontierte Spurstange versehentlich von der Werkbank. Durch diesen Sturz aus niedriger Höhe bricht der angerissene Bolzen dann endgültig ab. Fahrzeug ist ein unfallfreier Speedster Turbo mit Spurstangenvariante 3.
  • Gerade kürzlich passiert: Speedster Turbo bricht bei gleichmäßiger Geradeausfahrt mit 80 km/h urplötzlich mit dem Heck aus. Fahrzeug landet im Graben, Fahrer und Beifahrerin (Kind) glücklicherweise unverletzt. Fahrzeug schwer beschädigt, möglicherweise Totalschaden. Fahrzeug war ein später Turbo, vorher unfallfrei, mit Spurstangenvariante 4. Das Bruchszenario ist das, das ich unter Punkt 3.5 beschrieben habe.

Ich könnte jetzt noch ein paar Seiten lang so weitermachen, aber ich denke, das reicht erstmal.

Meiner persönlichen Meinung nach sind die HA Spurstangen des Speedster eine tickende Zeitbombe, und zwar alle 6 Varianten! Letztendlich Abhilfe schafft hier nur ein Austausch gegen verstärkte Spurstangen mit Gelenklagern, die sowohl was ihre Festigkeit als auch was die Temperaturbeständikteit der Lager angeht über ausreichende Eigenschaften und Sicherheitsreserven verfügen.

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